Aufsatz*


Zur Konstitution des Sportbegriffs

Hägele, W.: Zur Konstitutionsproblematik des Sports. In: Sportwissenschaft 12 (1982), 2, S. 195-201.

Schlüsselwörter

Motorische Aktivität; Spiel; Leistung; Wettstreit; Fairness; Drei-Ebenen-Modell; Idealtypus; empirische Wirklichkeit; innere Motive; äußere Motive

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Der Sport [*] kann als ein soziales Phänomen angesehen werden, das über eine komplexe Variations-Mannigfaltigkeit seiner Kommunikations- und Interaktions-Beziehungen verfügt. In der Vergangenheit verkürzte sich die Beschreibung dieser Wirklichkeit allzu oft auf simplifizierende Globaldeutungen, die sich vor allem auf Partial-Theoreme des Spiels, des Wettkampfs oder des Leistungsprinzips bezogen, die der Mehrdimensionalität des sportlichen Handlungsfeldes nicht hinreichend gerecht wurden.

Positiv gewertet werden kann daher zunächst am DSB-Thesenpapier, dass dort nicht erneut versucht wurde, die Bedeutungsvielfalt des Begriffs „Sport“ in eine formelhafte, doch kurzatmige Definitions-Aussage hineinzupressen, vielmehr der Versuch unternommen wurde, annäherungsweise einige Dimensionen herauszuarbeiten, die für den Begriff des Sports konstitutiv sind. Genereller Zuspruch kann auch dem Bemühen erteilt werden, den Sinngehalt einzelner Dimensionen mit Hilfe einer Ausgrenzung verständnisfördernd dargestellt zu haben. Im Detail weist das DSB-Thesenpapier jedoch einige Schwachstellen auf, denen im Folgenden nachgegangen wird.

1  Der Idealtypus der Dimensionen

Zunächst muss festgehalten werden, dass es sich bei den Dimensionen des Sports um idealtypische Konstruktionen handelt, die leicht vergessen machen, dass die empirische Wirklichkeit der Dimensionen eher heterogen denn homogen strukturiert ist, mehr noch, dass jede Dimension in Wirklichkeit ein Kontinuum umspannt, das im Grenzwert des sportlichen Ideals (Eingrenzung) seinen Anfang und im Extrem der Ausgrenzung (Nicht-Sport) sein Ende findet und dabei typischerweise Elemente aus beiden Seiten (Polen) in je verschiedenen Mischungen in sich vereint. Dieser Wirklichkeitsbezug kommt im DSB-Thesenpapier zu kurz.

2  Motorische Aktivität

Verdeutlichen lässt sich diese Aussage am Beispiel der motorischen Aktivität. Zunächst trifft sicherlich zu, dass motorische Aktivität ein fundamentales Konstitutivum des Sports darstellt. Unbestreitbar erfordert sportliches Handeln stets koordinative und konditionale Fähigkeiten (Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Gewandtheit und Geschicklichkeit). Außer Frage ist aber auch, dass sportliche Aktivitäten stets mehr oder minder kognitive Anteile aufweisen oder andere außermotorische Bestimmungsgrößen (Pferd, Boot) einschließen, die nicht selten für den betreffenden Sport (Reiten, Segeln) kennzeichnend sind. Entsprechend unterschiedlich ist das Verhältnis zwischen unmittelbar motorischen und mittelbaren oder nicht-motorischen Elementen einzuschätzen, über das eine

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Sportart verfügt. Während bei sportlichen Handlungen jedoch die Relation zwischen Motorik und Nicht-Motorik letztlich zugunsten der körperlichen Bewegung ausfällt, trifft dies bei „Denkspielen“ gerade nicht zu [1].

3  Bedeutungsinhalt

Ausgehend von den Sozialwissenschaften (SCHÜTZ 1971 a; SCHÜTZ 1971 b; SCHÜTZ/LUCKMANN 1979), hat der Alltags-Begriff in den letzten Jahren eine fast inflationäre Verwendung gefunden. Wie die Untersuchungen von ELIAS (1978, S. 22-29), HAMMERICH/KLEIN (1978, S. 7-21) oder BERGMANN (1981, S. 50-72) gezeigt haben, ist eine grundlegende Klärung des recht uneinheitlich und vieldeutig verwendeten Alltags-Begriffs jedoch noch nicht geleistet worden. Diese Ambivalenz des Alltags-Begriffs scheint sich im DSB-Thesenpapier niedergeschlagen zu haben, wo weder definiert ist, was Alltagsbewegungen sind (außer, dass sie in die Nähe von Arbeitsbewegungen gerückt wurden), noch recht einsichtig wird, weshalb sportlichen Handlungen (als „geregelten Formen der Alltagsbewegungen“) nur ein „gleichsam künstlicher Status“ zugebilligt wird (Arbeitsbewegungen hingegen nicht). Zutreffender scheint zu sein, dass die alltäglichen Universalien des Gehens, Laufens, Werfens und Springens durch den Regel-, Normen- und Wertekanon der jeweiligen Sportart zwar eine semiotisch-symbolische Funktions-Überlagerung erfahren, dadurch die Alltagswelt (als uns allen gemeinsame faktische Welt) [2] aber nicht verlassen wird, sich vielmehr eine spezifische alltägliche Seinssphäre (mit spezifischem Bedeutungsgehalt) auftut: nämlich die des Spiels (des realen Spiels – im Gegensatz zum fiktiven Phantasiespiel).

In diesem Sinne können Sportbewegungen (in ihrer „Vielfalt“, „grundsätzlichen Offenheit“ und „überwiegend freudvollen“ Akzentuierung) als „prinzipiell unproduktiv“ beschrieben werden, die weder „existentiellen Zwängen“ unterliegen noch aus „kommerziellen Nützlichkeitserwägungen“ heraus betrieben werden. Das DSB-Thesenpapier dringt damit aber nicht tief genug zum eigentlichen Kern sportlicher Bewegungshandlungen vor. Der Selbstzweck des Sports wird zwar bejaht (kontra Unterstellung unter „äußere“, nicht-sportliche Ziele), inhaltlich jedoch nur vage bestimmt. Hier muss die Aussage, dass sportmotorische Handlungen „sich gleichsam selbst darstellen“, dahingehend radikalisiert werden, dass das Handlungsziel bei sportlichen Aktivitäten zwar mittelbar in der sportlichen Bewegungsausführung liegt, unmittelbar aber in der Person des einzelnen aufgeht (als Sich-Erleben vom Leibe her). Der Sport bezieht somit seinen eigentlichen Stellenwert und seine Legitimation aus der generellen Unterwerfung seiner Handlungen unter die Wünsche und Bedürfnisse der ihn Betreibenden (prinzipielle Gestaltbarkeit seiner Rollen). In dieser Eigenschaft erfüllt der Sport zwar keine direkte, wohl aber eine wichtige indirekte gesellschaftliche Funktion: die der Persönlichkeitsentfaltung

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(Selbstverwirklichung) und Identitätsstabilisierung. (Im DSB-Thesenpapier mag dies unter der Dimension „Erlebnisformen“ anklingen.) „Zweckfrei“ („zwecklos“) oder „nicht nützlich“ („nutzlos“) sind diese Handlungen daher nur in Bezug auf außerpersonale Ziele, „bezweckt“ oder „nützlich“ („von Nutzen“) sind sie dagegen hinsichtlich individueller Befriedigung [3].

4  Leistung und Wettbewerb

Selbstverwirklichung im Sport schließt nicht a priori Leistung aus, unterstellt diese allerdings authentischen Prinzipien: Leistung muss zum „individuellen Bezugspunkt“ in Relation gesetzt werden, d. h., Leistung darf nicht produkt-, sondern muss personorientiert gehandhabt werden; nicht das Ergebnis, sondern das Erlebnis des Leistens ist ausschlaggebend. Leistendes Handeln wird somit von reiner Äußerlichkeit (Erfolgssucht) abgerückt – hin zur individuellen Bewältigung sportmotorischer Aufgaben auf unterschiedlichstem Anspruchsniveau, was das Treiben sportlicher Anfänger ebenso einschließt wie die Anstrengungen von Höchstleistungswilligen.

Diese intentionale Bestimmung von Leistung mag im DSB-Thesenpapier hintergründig mitschwingen. Vordergründig ist Leistung jedoch zu sehr auf die „Beachtung und das Übertreffen von Gütemarken“ und auf „Wettbewerb“ festgelegt. Sportliche Handlungen mit niederem Leistungsanspruch sowie solche, die stärker im Miteinander (Kooperation) des Tuns verankert sind, geraten dadurch leicht ins Hintertreffen. Dass deshalb „Bergsteigen“, „Felsklettern“, „nicht rennmäßig betriebener Pisten- und Tourenskilauf“ oder „Rhythmische Gymnastik“ vom Sport ausgeschlossen wären, ist eine wohl vorschnelle Unterstellung von SOBOTKA (1981, S. 104) am DSB-Thesenpapier. Richtiger dürfte sein, dass es auch hier im Einzelfall schwierig ist, eine einigermaßen akzeptable Trennlinie zwischen sportlich und nicht-sportlich zu finden. So mögen in der Tat „Wanderungen“ zunächst zum bloßen Freizeitvergnügen gezählt werden, die jedoch in sportliche Betätigung umkippen, wenn die physischen „Anstrengungen, Mühen und Belastungen“ das Gesellige z. B. bei einem Familienausflug in den Hintergrund drängen.

5  Die soziale Dimension des Sports (Organisation, Regeln, Werte)

Die Institutionalisierung des modernen Sports in „eigenen sozialen Gebilden“ (Sportorganisationen) sowie die Tatsache, dass sportliche Handlungen von Normen (Regeln) geleitet werden, sind weniger kennzeichnend für den Sport an sich, vielmehr konstitutiver Ausdruck jeglicher Vergesellschaftung in der sozialen Welt. An dieser Stelle vermisst man jene qualitative Differenzierung, wie sie bei den „ethischen Werten“ vorgenommen wurde, wo allen Unkenrufen zum Trotz „Fairplay“, „Partnerschaft“, „Chancengleichheit“ oder „Teamgeist“ als unverzichtbare Grundwerte und Leitideen des Sports ausgezeichnet wurden. Oder anders gesagt: Soziale Beziehungen im Sport, seien sie nun eher im Miteinander (Kooperation) oder Gegeneinander (Wettbewerb) verankert, sind ihrem Wesen nach grundsätzlich in die Bande der Solidarität eingebunden. Der andere ist nicht Objekt, sondern Subjekt des Handelns, eher notwendiges Pendant denn

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antagonistische Kraft. Idealerweise handelt es sich um eine Gemeinschaft Gleichgesinnter, die bei allem sachlich Trennenden, bei allem Für und Wider, die ihnen die Sportregel oder die aktuelle Situation auferlegt, stets um Gegenseitigkeit auf der sozialen Ebene bemüht ist.

6  Das Drei-Ebenen-Modell des Sports

Als tiefergreifende Schwäche am DSB-Thesenpapier muss der Umstand gewertet werden, dass dort nicht versucht wurde, die einzelnen Dimensionen des Sports in einem Modell vom Sport zu vereinigen. Die Klärung des Begriffs Sport blieb damit Stückwerk. Zu kurz kam die Überlegung, dass die idealtypischen Dimensionen des Sports in der empirischen Wirklichkeit nicht nur ein Handlungskontinuum umspannen (vgl. Ziffer 1), sondern – darauf aufbauend – auch die Dimensionen in einem qualitativ unterschiedlichen Verhältnis zueinander stehen, auch hier gleichsam ein Kontinuum vom reinen Ideal des Begriffs bis hin zu seiner Verneinung umschließend.

Veranschaulichen möchte ich diese Aussage in der Tradition der Verstehenden Soziologie (SIMMEL; M. WEBER; SCHÜTZ) anhand eines idealtypisch-abstrakten, rein logisch-gedanklichen Drei-Ebenen-Konstrukts [4], das gleichwohl an der sportlichen Wirklichkeit zu messen ist [5].

6.1 Die erste Ebene: das Ideal des rein authentischen Sports (der innere Horizont des Sports)

Die erste Ebene dieses Konstrukts lässt sich durch jene Strukturmerkmale kennzeichnen, die als kleinster gemeinsamer Nenner (innerer Horizont des Sports) [6] für sportliche Handlungen essentiell sind [7]. Praktisch handelt es sich um den Verbund und das konzentrierte Substrat aller dimensionalen Ideale (Eingrenzungen), über die der Sport verfügt. Im Einzelnen sind hierzu typisch sportliche motorische Aktivität (Leichtathletik, Turnen, Schwimmen, Kampfspiele), typisch sportlicher Bedeutungsgehalt (Sich-Erleben vom Leibe her; Selbstverwirklichung), typisch sportliche Leistung (persongebunden; erlebnisorientiert) sowie typisch sportliche soziale Beziehung (Fairplay; Solidaritätsprinzip) usw. zu jenem Ideal vom Sport schlechthin verschmolzen, das letztlich den Bedeutungskern des Begriffs Sport ausmacht (rein authentischer Sport) [8].

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Abb. 1: Das Drei-Ebenen-Modell des Sports
 

6.2  Die zweite Ebene: das Spannungsverhältnis zwischen sportlichen und nicht-sportlichen Sinnelementen (der äußere Horizont des Sports)

Wie bereits angedeutet, ist die empirische Wirklichkeit des Sports nicht mit seinem innerweltlich-konstitutiven Ideal gleichzusetzen. Stets ist der rein authentische Sport von ihn ausgrenzenden Faktoren durchdrungen. Zwar sind hiervon im Einzelfall die Dimensionen des Sports unterschiedlich betroffen, doch grundsätzlich gilt, dass der Sport in der Empirie von Nicht-Sportlichem imprägniert und überlagert wird. Der innerweltliche Sport muss stets in Einheit mit seiner Umwelt gesehen werden, die modifizierend auf seinen Sinngehalt einwirkt. Wie jede Realität ist auch die reine Welt des Sports stets für andere Realitäten durchlässig und anfällig.

Auf der zweiten Ebene des Sports, seinem äußeren Horizont, wird somit dessen eigene Realität zu mitaffizierenden Sinnwelten (den Ausgrenzungen der Dimensionen) in Beziehung gesetzt. Nur in unmittelbarer Nähe des Bedeutungskerns des Begriffs Sport nimmt die sportrelevante Thematik eine derart zentrale Position ein, dass dem kopräsenten außerweltlichen Sporthorizont (Nicht-Sport) eine höchst untergeordnete, marginale Bedeutung zukommt. Primäre sportliche Interessen behaupten sich in diesem Bereich unschwer gegenüber sekundären und tertiären nicht-sportlichen Interessen. Mit zunehmender Entfernung vom innersportlichen Ideal verändert sich das Bild jedoch grundlegend. Das externe Zerren nimmt beständig zu, bis schließlich sporttragende Motive Mühe haben, sich im Sog dieser Kräfte zu behaupten.

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Generell kennzeichnend für den äußeren Horizont des Sports ist der fortwährende, mehr oder weniger ausgeprägte Spannungszustand seiner konstitutiven Elemente gegenüber anderen Sinnelementen. Dadurch werden dem Begriff des Sports jene Beimengungen und verschwommenen Fransen zugesellt, die den der kausal-erklärenden Sozialforschung verpflichteten (Sport-)Wissenschaftlern so zu schaffen machen, zumal das konstitutive Ideal des Sports nach außen hin nicht nur immer stärker mit umweltlichen Sinnsträngen verwoben ist, sondern darüber hinaus eine Zersplitterung seiner konstitutiven Dimensionen einsetzt, die den Begriff in ein überaus heterogenes, sphinxhaftes Phänomen zerfließen lässt [9].

6.3  Die dritte Ebene: der nicht-sportliche Grenzbereich (der sportliche Rand)

Die dritte Ebene des Modells stellt den Grenzbereich sportlichen Handelns dar. Die Entfremdung des Sports von seiner Basis erfährt hier ihre Vollendung. Sportliche Interessen werden in dieser Randzone des sportlichen Handlungsfeldes von nicht-sportlichen Interessen zugeschüttet. Externe, nicht-sportliche Motive beherrschen nun eindeutig die Szene. Die Thematik des Sports verläuft sich im Bereich der Irrelevanz, wird praktisch nicht länger „im Griff“ (HUSSERL) behalten. Idealtypisch betrachtet, kommt es zu einer Bündelung negativ gepolter, nicht-sportlicher Dimensionen, die im absoluten Extrem (Verbund aller dimensionalen Ausgrenzungen) zur Negierung des Sport-Begriffs führt.

Konkret ist sportliches Handeln auf dieser Ebene direkt auf äußere, nicht-sportliche Ziele gerichtet; eine umfassende Instrumentalisierung und Funktionalisierung schnürt das Konstitutive des sportlichen Lebens ab (produktiv gewendeter oder gesellschaftlich funktionalisierter Sport). Eine Entpersonalisierung und Inhumanisierung der Leistung (Profisport) ist allenthalben zu beobachten (der Sportler läuft Gefahr, zur bloßen, form- und benutzbaren „Ware“ entmündigt zu werden). Darüber hinaus verstümmeln in vielen Bereichen des sportlichen Randes Machtmomente das Solidaritätsprinzip des Sports und entwerten die verschiedenen sozialen Begegnungen im Sport zu einem Nullsummenspiel mit wenigen Siegern und vielen Verlierern.

Doch ebenso wenig wie der rein authentische Sport empirisch haltbar ist, gilt dies für sein Gegenüber: Auch der völlig entfremdete Sport ist in Wirklichkeit stets mit sportlichen Kontext-Elementen vermengt. Denn es ist nun einmal so, dass selbst extrem nicht-sportlich Denkende (z.B. Politiker oder Wirtschaftsmanager in leitenden Führungspositionen des Sports) von der Thematik ihres Tuns im Sport (sportlicher Alltag im Verein oder Verband) so weit mitgerissen werden, dass sich sportlich konstitutive Spuren unwillkürlich einstellen.

7  Schlussbemerkung

Heuristisch fruchtbar ist es, von einem Drei-Ebenen-Modell des Sports auszugehen. Nur allzu leicht verrennt man sich sonst in simplifizierende Ein-Faktor-Theorien. Als empirisch unwahrscheinlich muss die Dichotomisierung des Sports in rein au-

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thentischen Sport (erste Ebene) und völlig entfremdeten Sport (dritte Ebene) angesehen werden. Die reale Wirklichkeit des Sports bewegt sich zwischen diesen Extremen, Elemente aus beiden Seiten (erste und dritte Ebene) in den verschiedenartigsten Kombinationen in sich aufnehmend.

Für den Sport als soziales System bedeutet dies, dass seine Struktur wesentlich von der Art und der Zusammensetzung seiner Subsysteme abhängig ist. Generell ist dabei von einer Überlappung und Vermaschung der Subeinheiten auszugehen, die je nach soziokultureller Gegebenheit auf den verschiedenen Ebenen des sportlichen Handlungskontinuums anzusiedeln sind. Das Dilemma der Einheit des Sports besteht nun insbesondere darin, die disharmonischen Elemente derart mit den harmonischen zu vereinen, dass die integrierende Balance nicht verlorengeht. Dabei ist davon auszugehen, dass Systeme konfliktreicher belastbar sind, als der PARSON’sche Strukturfunktionalismus dies zugesteht.

Anmerkungen

[*] Anmerkungen zum Definitionspapier „Sport“ des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Sportbundes (Sportwissenschaft 10 [1980], S. 437-439); abgekürzt als „DSB-Thesenpapier“.

[1] In der problematischen Randzone von Sport und Nicht-Sport ist eine eindeutige Zuordnung der Aktivitäten oft nicht möglich. Hier kommt den Regeln der Konvention eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. So wird im Allgemeinen der Reitsport oder der Segelsport ohne großes Bedenken den noch unmittelbaren, zumindest aber mittelbaren motorischen sportlichen Aktivitäten zugeordnet. Nicht mehr so eindeutig dürfte die Zuweisung beim Automobilsport oder beim Aero-Sport gelingen, während beim Schachsport die Kategorisierung in kognitive Aktivität auf der Hand zu liegen scheint. Und dennoch: alle genannten Sportarten sind ordentliche Mitglieder des Deutschen Sportbundes.

[2] Vgl. insbesondere SCHÜTZ 1971 a, S. 3-54, 237-298; SCHÜTZ/LUCKMANN 1979, S. 47-61.

[3] „Zwecklos“ und „nutzlos“ sind in diesem Zusammenhang zwei fast „unnütze“ Begriffe. Sie bekommen jedoch eine sinnverfälschende Bedeutung, wenn sie, wie in der Sportwissenschaft (in der Tradition klassischer Sporttheorien) üblich, den Personbezug des Sports charakterisieren.

[4] Anregungen hierzu enthalten vor allem die (sozial)philosophischen Werke von HUSSERL (1972 und 1976), SCHÜTZ (1971 a; b) und SCHÜTZ/LUCKMANN (1979).

[5] Während HEINEMANN (1980, S. 37/38) den Sport in „verschiedene Modelle des Sports“ aufgliedert, wird im Folgenden die Einheit des Sports herausgestellt, ohne seine Differenzierung in Subsysteme in Abrede zu stellen.

[6] Der Begriff „Horizont“ (innerer und äußerer Horizont) ist hier im Sinne HUSSERLs (1972, S. 26-36) zu verstehen.

[7] Es ist unklar, inwieweit LENK (1980, S. 425) dieser Begriffsklärung zustimmen kann, wenn er in Anlehnung an WITTGENSTEIN und FOGELIN die Familienähnlichkeits-Struktur des Gattungsbegriffs „Sport“ wie folgt beschreibt: „Auch hier gibt es keinen gemeinsamen charakteristischen Zug, der alle Anwendungsfälle kennzeichnet, während sich Ähnlichkeiten auf den sozusagen jeweils bilateralen Vergleich von Einzelinstanzen stützen. Die für einzelne Vergleichspaare vorhandenen und den Vergleich stützenden Gemeinsamkeiten seien nun keinesfalls für alle Instanzen des Begriffs ´unverzichtbar´.“

[8] „Typisch“ wird hier synonym mit „idealtypisch“ verwendet.

[9] Im Gegensatz zum „harten Kern“ des Sport-Begriffs scheint in diesem Bereich eine Anlehnung an LENKs Aussagen (1980) möglich zu sein. Hier müssen vor allem jene Sportarten eingereiht werden, die eine oder zwei konstitutive Dimensionen des Sports vermissen lassen, ansonsten aber dem Wesen sportlicher Aktivitäten recht nahe kommen (Automobilsport? Aero-Sport? Schachsport?).

Literatur

BERGMANN, W.: Lebenswelt, Lebenswelt des Alltags oder Alltagswelt. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 33 (1981), S. 50-72.

ELIAS, N.: Zum Begriff des Alltags. In: K. HAMMERICH/M. KLEIN: Materialien zur Soziologie des Alltags. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 20. Opladen 1978, S. 22-29.

HAMMERICH, K./KLEIN, M.: Alltag und Soziologie. In: K. HAMMERICH/M. KLEIN: Materialien zur Soziologie des Alltags. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 20. Opladen 1978, S. 7-21.

HÄGELE, W.: Spiel und Sport – Eine soziologische Begriffsanalyse. Ahrensburg 1979.

HEINEMANN, K.: Einführung in die Soziologie des Sports. Schorndorf 1980.

HUSSERL, E.: Erfahrung und Urteil. Hamburg 1972.

HUSSERL, E.: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Den Haag 1976.

LENK, H.: Auf dem Wege zu einer analytischen Sportphilosophie. In: Sportwissenschaft 10 (1980), S. 417-436.

SCHÜTZ, A.: Gesammelte Aufsätze. Bd. 1. Den Haag 1971 (a).

SCHÜTZ, A.: Das Problem der Relevanz. Frankfurt 1971 (b).

SCHÜTZ, A./LUCKMANN, Th.: Strukturen der Lebenswelt. Frankfurt 1979.

SOBOTKA, R.: Diskussionsbeitrag zur Definition des Sports. In: Sportwissenschaft 11 (1981), S. 103-104.

Wissenschaftlicher Beirat des Deutschen Sportbundes: Zur Definition des Sports. In: Sportwissenschaft 10 (1980), S. 437-439.